mardi 28 mai 2019

Rudolf Berthold (Jagdflieger)


  1. Rudolf Berthold (* 24. März 1891 in Ditterswind; † 15. März 1920 in Harburg an der Elbe) war ein deutscher Jagdflieger im Ersten Weltkrieg und Führer eines Freikorps, der sich am Kapp-Putsch beteiligte. Während der Kapitulation dieses Freikorps hatte seine Einheit mehrfach ohne Ankündigung in eine Gruppe Harburger Arbeiter geschossen. Danach wurde Berthold von einer wütenden Menschenmenge misshandelt und durch mehrere Schüsse getötet.

    Leben

    Erster Weltkrieg

    Rudolf wurde als Kind des Oberförsters Oskar Berthold (1857–1923) und seiner Frau Helene Stief (1860–1945) geboren. Er hatte eine Schwester mit dem Namen Franziska und zwei Brüder, Wolfram und Julius.
    Nach Abschluss des Neuen Gymnasiums in Bamberg absolvierte er das Kadettenkorps und wurde am 30. Januar 1910 als Leutnant dem Infanterie-Regiment „Graf Tauentzien von Wittenberg“ (3. Brandenburgisches) Nr. 20 der Preußischen Armee in Wittenberg überweisen. Ab Sommer 1914 absolvierte er die Ausbildung zum Militärflieger, in deren Verlauf er Oswald Boelcke kennenlernte.
    Nach der Mobilmachung bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs fuhr Bertholds Feldflieger-Abteilung 23 am 7. August nach Westen ab. Seine Abteilung wurde dem AOK der 2. Armee unter dem Oberbefehl des Generalobersten Karl von Bülow zugeteilt. Während des Krieges wurde er am 18. September 1915 zum Oberleutnant befördert und ab 12. Oktober 1916 als Führer der Jasta 14 eingesetzt. Daran schloss sich eine Verwendung als Führer der Jasta 18 sowie die Beförderung zum Hauptmann am 20. Oktober 1917 an. Am 17. März 1918 erhielt er das Kommando über das Jagdgeschwader 2. Berthold wurde selbst mehrfach abgeschossen und verletzte sich zum Teil schwer. Für seine insgesamt 44 Luftsiege wurde er mehrfach ausgezeichnet. Neben beiden Klassen des Eisernen Kreuzes und dem Ritterkreuz des Königlichen Hausordens von Hohenzollern mit Schwertern sowie dem Ritterkreuz des Militär-St. Heinrichs-Ordens[1] wurde Berthold auch mit der höchsten preußischen Tapferkeitsauszeichnung, dem Orden Pour le Mérite, am 12. Oktober 1916 geehrt.
    Am 10. August 1918 wurde Berthold letztmals abgeschossen, überlebte schwer verwundet und kam nach einem kurzen Aufenthalt im Feldlazarett in die Heimat. Das Kriegsende erlebte er in der Berliner Universitätsklinik. Eine vollkommene Ausheilung seiner Verletzungen gelang nicht; seine rechte Hand blieb dauerhaft gelähmt.
    Aufgrund der 44 Luftsiege, die Berthold während des Ersten Weltkrieges erzielte, wurde er zu einem der legendären Fliegerasse wie Manfred von Richthofen (80 Siege), Ernst Udet (62 Siege), Oswald Boelcke (40 Siege), Werner Voß (48 Siege) und Max Immelmann (15 Siege).

    Freikorps

    Der Kieler Matrosenaufstand, die darauf folgende Novemberrevolution, die Abdankung Kaiser Wilhelm II. sowie der Waffenstillstand von Compiègne erschütterten den nationalistisch und kaisertreu gesinnten Berthold tief. Die demokratischen Parteien, insbesondere die linken Gruppierungen und deren Vertreter lehnte er als „Gassen- und Strassensozialisten“ ab.
    Berthold gründete daraufhin im April 1919 mit Genehmigung der Reichsregierung das „Fränkische Bauerndetachement Eiserne Schar Berthold“ mit Standort in Hammelburg (Lkr. Bad Kissingen). Das Freikorps erhielt Ausrüstung, Verpflegung und Sold aus staatlichen Mitteln. Nach Einsätzen in Schweinfurt, Bad Kissingen und München sollte die „Eiserne Schar“ bereits im September wieder aufgelöst werden. Dem entzog sich Berthold und verlegte das Freikorps nach Königsberg. Berthold gliederte seine Truppe in die Eiserne Division ein und beteiligte sich mit dieser am Lettischen Unabhängigkeitskrieg auf dem Baltikum. Aus diesem Grund zählte man auch die Eiserne Schar Bertolds zu den „Baltikumern“.[2]

    Kapp-Putsch

    Fahrt nach Harburg

    Anfang 1920 wurde das Freikorps zur Demobilmachung ins Innere Deutschlands verlegt. Im Kehdinger Land bei Stade, vor den Toren Hamburgs, quartierte sich das Korps ein. Berthold widersetzte sich jedoch jedem Befehl zur Entlassung. Er entwickelte eine rege Tätigkeit in nationalistischen Militärkreisen und beabsichtigte eine Militärdiktatur nach dem Vorbild Horthys in Ungarn aufzubauen.
    Anfang März 1920 verhandelte Berthold in Berlin über die Angliederung seiner Truppe an die Marine-Brigade von Loewenfeld. In einem Brief vom 6. März 1920 schrieb er: „Was die politischen Verhältnisse angeht, so drängt ja, Gott sei Dank, jetzt alles zur Entscheidung … Die Verhältnisse haben sich so zugespitzt, dass vielleicht schon in Tagen der große Schlag erfolgt.“
    Am 13. März 1920 begann der erwartete Putsch mit dem Einmarsch der Brigade Ehrhardt in Berlin unter dem Kommando von General Walther von Lüttwitz. Die Putschisten hatten den Landschaftsdirektor Kapp als Reichskanzler eingesetzt. Berthold beschloss, sich mit seinen Offizieren am Putsch zu beteiligen. Zuerst wollte die Truppe von Stade aus mit dem Zug nach Altona fahren, um sich dort den Putschisten unter Oberst Wangenheim anzuschließen. Das scheiterte zunächst an der Weigerung der demokratisch gesinnten Eisenbahner, einen Zug zu stellen. Am folgenden Tag erzwangen die Soldaten „unter brutaler Anwendung von Gewalt und Todesbedrohungen, die sich auch auf die Familienangehörigen der Eisenbahnbeamten ausdehnte“ – so der Stader Regierungspräsident – die Bereitstellung eines Zuges.[3]
    Das erste Ziel Bertholds war Harburg. In der auf der Strecke nach Hamburg liegenden preußischen Stadt Harburg (Elbe) waren bereits die mit dem Kapp-Putsch sympathisierenden Offiziere des dort stationierten etwa 900 Mann starken Pionier-Bataillons verhaftet und unter Hausarrest gestellt worden. Die Unteroffiziere und Mannschaften hatten sich nach der Festnahme ihrer Offiziere für die Republik erklärt. Berthold beabsichtigte die Wiederherstellung der Befehlsgewalt der Offiziere und die Entfernung aller regierungstreuen Soldaten. Außerdem plante er, seine Leute dort aus Beständen der Reichswehr auszurüsten.
    In Harburg waren die „Baltikumer“ gezwungen, in der Schule Woellmerstraße Quartier zu beziehen. In Verhandlungen wurde Berthold sowohl von sozialdemokratischer als auch von bürgerlicher Seite aufgefordert, mit seiner Truppe ohne Halt direkt nach Berlin zu fahren. Berthold lehnte dies ab. Er machte einen Abzug von Bedingungen abhängig. Daraufhin radikalisierte sich die Stimmung in der Stadt – insbesondere in der Arbeiterschaft.
    Gedenktafel an der Schule Woellmerstraße in Hamburg Heimfeld
    Die Schule in der Woellmerstraße im Stadtteil Heimfeld wurde von Schaulustigen, Angehörigen eines meuternden Pionier-Bataillons, und von der inzwischen bewaffneten und unter sozialdemokratischer Führung stehenden Miliz belagert. Berthold forderte: „Platz frei – es wird geschossen.“ Mit Maschinengewehr wurden Warnschüsse über die Köpfe der Menge gegeben. Das Feuer wurde erwidert, worauf Bertholds Freikorps in die fliehende Menge schoss. Mehrere Menschen brachen tot oder verwundet zusammen. Die Schule wurde unter Dauerbeschuss genommen.

    Scheitern des Putschs und Tod Bertholds

    Berthold war zu Kapitulationsverhandlungen gezwungen, die der „Eisernen Schar“ nach Abgabe aller Waffen freien Abzug zurück nach Stade gewähren sollten. Während der Waffenabgabe fielen wieder Schüsse, „die anscheinend von Baltikumern aus dem Hinterhalt abgegeben“ wurden – so die bürgerliche Harburger Anzeigen und Nachrichten am 16. März 1920. Tatsächlich lässt sich nicht zweifelsfrei klären, von welcher Seite die Schüsse abgefeuert wurden. Jedenfalls flammte erneut ein Schusswechsel auf. Die Baltikumer mussten wegen Munitionsmangel nach kurzer Zeit das Feuer einstellen. Dennoch hatte die Aktion zu einer außerordentlichen Erregung und Erbitterung der überwiegend unbewaffneten Menge geführt. Denn nach ihrer Wahrnehmung hatte die Eiserne Schar zweimal in eine nichtsahnende Menge geschossen. Die Menge fing an, auf die abziehenden Soldaten einzuschlagen.
    Geschützt von bewaffneten Arbeitern versuchte Berthold, in ein Wirtshaus zu fliehen. Ein Teil der wütenden Menge verfolgte sie und holte Berthold aus dem Gebäude heraus. Als er auf der Straße geschlagen und getreten wurde, zog Berthold eine kleine Pistole, um sich zu verteidigen. Die Pistole wurde ihm jedoch entrissen und damit auf ihn geschossen. Außerdem trafen ihn zwei Gewehrschüsse. Der am 16. März 1920 ausgestellte Totenschein wie auch der Obduktionsbericht verzeichneten zwar schwere, jedoch keineswegs tödliche Quetschungen durch Schläge, Tritte und möglicherweise Kolbenhiebe. Getötet wurde er durch die Schüsse.[4]
    Während die „Baltikumer“ außer Berthold zehn Tote verzeichnen, starben auf Seiten der Harburger 14 Personen. Beide Seiten hatten jeweils etwa 20 zum Teil schwer Verletzte.
    Der neue Grabstein auf dem Invalidenfriedhof
    Berthold wurde auf dem Berliner Invalidenfriedhof beigesetzt. Sein Grabstein, eine bronzene Platte, verschwand nach 1945. Heute erinnert ein erneuerter Stein an ihn.

    Rezeption

    Der Schriftsteller Ernst von Salomon, der bei dem Einsatz der Eisernen Schar unter Berthold teilgenommen hatte, schrieb in seinem 1930 erschienenen, angeblich autobiographischen, Romanerstling Die Geächteten über Rudolf Berthold, dessen „Eiserne Schar“, die Unternehmungen im Baltikum, die gescheiterte Teilnahme am Kapp-Putsch sowie den Tod Bertholds im heute zu Hamburg gehörenden Harburg-Heimfeld. Salomon rechtfertigt darin den Putsch gegen die Republik und des Einsatzes des Freikorps gegen die Harburger Arbeiter. Er behauptet entgegen den Feststellungen des Totenschein von 1920, dass Berthold die Kehle durchgeschnitten worden sei und der Kopf abgetrennt. Auch in der NS-Zeit erschienen verschiedene die Ereignisse verfälschend darstellende Publikationen. Neben den Einzelheiten, die Salomon behauptete, war darin auch die Rede von „vertierten Weibern“.[5] Unter dem Titel … unvergleichlicher Franke… – Bild eines deutschen Soldaten gestaltete der Nazi-Schriftsteller Thor Goote 1935 eine als Tatsachenroman bezeichnete Lebenslaufschilderung Bertholds.
    Auch in der Zeit nach 1945 wurden die Ereignisse häufig vor allem als „Lynchjustiz an Hauptmann Berthold“ behandelt. Selbst die Mär von dem abgeschlagenen Kopf fand sich wieder. Auch heute noch wird mitunter berichtet, dass er von kommunistischen Kräften mit dem Ordensband seines Pour le Mérite erwürgt worden sei.
    In der Zeit nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurden für Berthold verschiedene Gedenksteine errichtet. So wurde am 31. Mai 1933 auch ein Gedenkstein vor der Schule in Harburg-Heimfeld errichtet, die bereits kurz zuvor in Berthold-Schule umbenannt worden war. Es gab regelrechte Berthold-Gedenkfeiern am jeweiligen Jahrestag des Kapp-Putsches in Harburg. Während der Stein der im Krieg stark beschädigten Schule nach Kriegsende entfernt wurde und seither verschollen ist, existiert der Stein auf dem dortigen „Neuen Friedhof“ nach wie vor. Dort heißt es: „Naer Oostland wyllen wy ryden“.
    In Würzburg, wo auch Gedenkfeiern für Berthold stattfanden, war im Stadtteil Frauenland eine am 3. Januar 1938 neu gebaute Volksschule ebenfalls nach Rudolf Berthold benannt worden.[6]
    1980 wurden mit einer Darstellung in dem Buch „die anderen“ (siehe Literatur und Quellen) erstmals nach der NS-Zeit die Ereignisse in Harburg als Folge der Abwehr des Kapp-Putsches durch die republiktreuen Einwohner Harburgs beschrieben.
    Auf Beschluss aller Parteien in der Bezirksversammlung Hamburg-Harburg im Jahr 2007, wurde an der Schule eine Gedenktafel zur Erinnerung an die Opfer des „Harburger Blutsonntags“ angebracht.

    Siehe auch

    Literatur

    • Jörg Berlin: „Lynchjustiz an Hauptmann Berthold“ oder Abwehr des Kapp-Putsches? Die Ereignisse in Harburg im März 1920. In: Jörg Berlin: Das andere Hamburg. Freiheitliche Bestrebungen in der Hansestadt seit dem Spätmittelalter. (= Kleine Bibliothek – Politik, Wissenschaft, Kunst. 237). Pahl-Rugenstein, Köln 1981, ISBN 3-7609-0654-0, S. 209–234.
    • Emil Julius Gumbel: Verschwörer. Zur Geschichte und Soziologie der deutschen Geheimbünde 1918–1924. Malik, Wien 1924 (Reprint 1971). Darin Briefe an Berthold (bei Gumbel fälschlich Berchthold), die nach seinem Tod bei ihm gefunden wurden.
    • Karl-Friedrich Hildebrand, Christian Zweng: Die Ritter des Ordens pour le mérite des I. Weltkriegs. Band 1: A–G. Biblio-Verlag, Osnabrück 1999, ISBN 3-7648-2505-7. S. 109–110.
    • Uwe Ruprecht: Hauptmann Bertholds Tode. In: ders., Elses Lachen. Wahre Kriminalfälle. Edition Temmen, Bremen 2009, ISBN 978-3-8378-4008-7.
    • Peter SupfBerthold, Rudolf. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 2, Duncker & Humblot, Berlin 1955, ISBN 3-428-00183-4, S. 167 f. (Digitalisat).
    • Arch Whitehouse: Flieger-Asse 1914–1918. Motorbuch-Verlag, Stuttgart 1970, S. 363–365.
    • Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten e.V. (Hrsg.): „die anderen“ – Widerstand und Verfolgung in Harburg und Wilhelmsburg – Zeugnisse und Berichte 1933–1945. Sechste und erweiterte Auflage. Selbstverlag, 2005, S. 13 ff.

    Weblinks

    Einzelnachweise


  2. Der Königlich Sächsische Militär-St. Heinrichs-Orden 1736–1918. Ein Ehrenblatt der Sächsischen Armee. Wilhelm und Bertha von Baensch-Stiftung, Dresden 1937, S. 151.

  3. Bruno Thoß: Eiserne Schar Berthold. Publiziert am 10. September 2012 in: Historisches Lexikon Bayerns. URL: historisches-lexikon-bayerns.de (abgerufen am 26. November 2017).

  4. Jörg Berlin: „Lynchjustiz an Hauptmann Berthold“ oder Abwehr des Kapp-Putsches? Die Ereignisse in Harburg im März 1920. In: Jörg Berlin: Das andere Hamburg. Freiheitliche Bestrebungen in der Hansestadt seit dem Spätmittelalter. Pahl-Rugenstein, Köln 1981, ISBN 3-7609-0654-0, S. 223f.

  5. Jörg Berlin: „Lynchjustiz an Hauptmann Berthold“ oder Abwehr des Kapp-Putsches? Die Ereignisse in Harburg im März 1920. In: Jörg Berlin: Das andere Hamburg. Freiheitliche Bestrebungen in der Hansestadt seit dem Spätmittelalter. Pahl-Rugenstein, Köln 1981, ISBN 3-7609-0654-0, S. 229.

  6. Jörg Berlin: „Lynchjustiz an Hauptmann Berthold“ oder Abwehr des Kapp-Putsches? Die Ereignisse in Harburg im März 1920. In: Jörg Berlin: Das andere Hamburg. Freiheitliche Bestrebungen in der Hansestadt seit dem Spätmittelalter. Pahl-Rugenstein, Köln 1981, ISBN 3-7609-0654-0, S. 233f.

  7. Peter Weidisch: Würzburg im »Dritten Reich«. In: Ulrich Wagner (Hrsg.): Geschichte der Stadt Würzburg. 4 Bände, Band I-III/2, Theiss, Stuttgart 2001–2007; III/1–2: Vom Übergang an Bayern bis zum 21. Jahrhundert. 2007, ISBN 978-3-8062-1478-9, S. 196–289 und 1271–1290; hier: S. 210 und 1272.

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