jeudi 16 mai 2019

Freikorp Paul von Lettow-Vorbeck

  1. Paul von Lettow-Vorbeck

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    Paul Emil von Lettow-Vorbeck (* 20. März 1870 in Saarlouis; † 9. März 1964 in Hamburg-Othmarschen[1]) war ein deutscher Offizier, zuletzt mit dem Charakter eines Generals der Infanterie, Kommandeur der Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika im Ersten Weltkrieg und Schriftsteller. Er stammte aus dem pommerschen Adelsgeschlecht von Lettow-Vorbeck

    Paul von Lettow-Vorbeck (1913)

    Leben

    Herkunft

    Seine Eltern waren der spätere preußische General der Infanterie Paul Karl von Lettow-Vorbeck (1832–1919) und dessen Ehefrau Marie, geborene von Eisenhart-Rothe (1842–1919). Sie war die Tochter des Landschaftsdirektors Ferdinand von Eisenhart-Rothe und der Emilie von Loeper. Die Generalmajore Moritz Eduard von Lettow-Vorbeck (1835–1920) und Max Friedrich von Lettow-Vorbeck (1837–1912) waren seine Onkel.

    Militärische Laufbahn

    Paul von Lettow-Vorbeck, 1904
    Lettow-Vorbeck wurde 1881 als Kadett in das Kadettenhaus Potsdam aufgenommen und wechselte 1884 in die Hauptkadettenanstalt zu Groß-Lichterfelde über, wo er 1888 das Abitur ablegte. Er trat am 7. Februar 1888 als Portepee-Fähnrich in das 4. Garde-Regiment zu Fuß über, wurde 1889 Sekondeleutnant und 1895 Premierleutnant. 1900/01 nahm er als Adjutant der 1. Ostasiatischen Infanterie-Brigade an der Zerschlagung der Boxerbewegung in China teil, wo er für seine Leistungen zum Hauptmann befördert wurde. In der Kolonie Deutsch-Südwestafrika nahm er zwischen 1904 und 1906 als Erster Adjutant im Stab des Kommandeurs der Schutztruppe Lothar von Trotha und als Kompaniechef an der Niederschlagung des Aufstands der Herero teil.[2] Dabei war er unter anderem in die taktische Planung der Schlacht am Waterberg involviert. Während er Trothas Gesamtstrategie, die auf Einkesselung und Vernichtung des Gegners setzte, für richtig hielt, stand er dem konkreten Operationsplan Trothas kritisch gegenüber. Sein eigener Entwurf kam indes nicht zur Durchführung.[3] Die genozidale Kriegsführung Trothas verteidigte er nachdrücklich.[4]
    Im Januar 1906 wurde Lettow-Vorbeck bei einem Gefecht am Auge schwer verwundet[5], und nach einem Genesungsurlaub in Südafrika kehrte er im Herbst 1906 wieder nach Deutschland zurück und wurde zum Großen Generalstab kommandiert. 1907 wurde er unter Beförderung zum überzähligen Major zum Adjutanten des Generalkommandos des XI. Armee-Korps ernannt. Im März 1909 wurde er Kommandeur des II. Seebataillons in Wilhelmshaven. Am 1. Oktober 1913 zum Oberstleutnant befördert, wurde er am 18. Oktober 1913 zum Kommandeur der kaiserlichen Schutztruppe für Kamerun ernannt. Ehe er sein Kommando dort antreten konnte, erfolgte bereits die Kommandierung zur Vertretung des Kommandeurs der Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika, der er seit 13. April 1914 auch formell als Kommandeur vorstand.

    Kriegseinsatz in Deutsch-Ostafrika

    Paul von Lettow-Vorbeck (links) in einer Fotomontage mit Heinrich Schnee
    It’s a long way to – Lettow-Vorbeck. Lettow-Vorbeck führt den englischen Löwen an der Nase herum (Karikatur aus der Zeitschrift Kladderadatsch, 1918)
    Im Ersten Weltkrieg gelang es ihm mit der Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika, dieses bis 1916 erfolgreich gegen die Briten zu behaupten, wobei er in der Schlacht bei Tanga einen Landungsversuch zahlenmäßig überlegener Kräfte der Angloindischen Armee zurückschlug. Nachdem sowohl die Briten in Kenia wie auch Belgier im Kongo ihre Kräfte verstärkt hatten und ab Januar 1916 zur Großoffensive übergingen (Eroberung von Tabora durch den belgischen General Charles Tombeur), musste sich die Schutztruppe schrittweise zurückziehen und wurde ab Ende 1916 in den Süden der Kolonie abgedrängt.
    Lettow-Vorbeck, 1916 zum Oberst befördert, ging zu Guerilla-Taktiken über und manövrierte die alliierten Verbände durch Schnelligkeit und enorme Marschleistungen immer wieder aus. Im November 1917 zog sich Lettow-Vorbeck, nun als Generalmajor, mit den Resten der deutschen Kolonialtruppen in der Schlacht von Ngomano aus Deutsch-Ostafrika nach Mosambik (damals Portugiesisch-Ostafrika) zurück und führte dort seinen Buschkrieg fort. Dabei band er weiterhin erhebliche britische und vor allem südafrikanische Truppen (Union Defence Force), denen es nie gelang, die Schutztruppe entscheidend zu stellen. Sein Hauptgegner war lange Zeit der südafrikanische General Jan Christiaan Smuts, später ein lebenslanger Freund. Mitte 1918 kehrte Lettow-Vorbeck angesichts britischer Verstärkungen in Mosambik wieder nach Norden um und marschierte überraschend zurück nach Deutsch-Ostafrika. Er gelangte durch den Süden des Landes bis nach Nordrhodesien. Dort erfuhr er bei Kasama vom Waffenstillstand in Europa. Hier wurde später ein Denkmal errichtet.
    Bei seinen weißen Offizieren und Unteroffizieren sowie bei der deutschen Zivilverwaltung erzeugte er oft Unwillen durch kriegsbedingte Befehle, die Einschränkungen des kolonialen Luxuslebens mit sich brachten. Mit dem Gouverneur Heinrich Schnee bestanden von Beginn an erhebliche Differenzen über die Kriegsziele: Während Schnee vor allem auf den Erhalt des Schutzgebietes in seinem Bestand Wert legte und dazu auch zu Konzessionen an die Briten bereit war, versuchte Lettow-Vorbeck, zur Entlastung der Front am Kriegsschauplatz in Europa möglichst viele alliierte Truppen auf dem afrikanischen Kriegsschauplatz zu binden. Trotz einer vielfachen zahlenmäßigen Unterlegenheit kämpfte er mit seiner Truppe vom deutschen Mutterland isoliert weiter und war der einzige deutsche Kommandeur des Ersten Weltkrieges, der in britisches Gebiet eindrang.
    Die menschlichen Verluste seiner und der alliierten Kriegsführung hatte vor allem die afrikanische Bevölkerung der Kolonie und der von ihm invadierten Kolonien Mosambik und Nordrhodesien zu tragen. Beide Seiten mieden direkte Gefechte und versuchten, einander den Nachschub abzuschneiden. So wurden umkämpfte Gebiete verwüstet, arbeitsfähige Männer und Lebensmittel weggenommen. Viele starben so an Hunger und Krankheiten. Die Rekrutierung von Trägern für Nachschub und Materialtransport im wegarmen Land durch alle kriegführenden Seiten kostete nach sachkundigen Schätzungen mindestens 100.000 Träger allein auf britischer Seite das Leben.[6]
    Die Truppen Lettow-Vorbecks bestanden zum größten Teil aus einheimischen Askari. Nur einige hundert Deutsche kämpften in seiner Truppe und bildeten vor allem das Offizierskorps. Mitte 1915 wurden auch die Überlebenden der Königsberg mit der geborgenen Schiffsartillerie und die Besatzung der Somali in seine Truppe eingegliedert.

    Ende des Ersten Weltkriegs

    Lettow-Vorbeck (Mitte) mit (links) britischem und (rechts) deutschem Offizier, 1918
    Am 13. November 1918, also zwei Tage nach dem Waffenstillstand in Europa, erfuhr der inzwischen zum Generalmajor beförderte Lettow-Vorbeck aus den Papieren eines gefangengenommenen britischen Motorradfahrers, der die Meldung den britischen Truppen überbringen sollte, vom Waffenstillstand und der angeordneten Übergabe der Schutzgebiete binnen eines Monats. Lettow-Vorbeck misstraute der Meldung, da er mangels Kommunikationsmöglichkeiten die Nachricht nicht vom deutschen Oberkommando bestätigen lassen konnte.
    Schließlich traf aus Salisbury in Südrhodesien eine Bestätigung des Waffenstillstands ein, an der nicht zu zweifeln war. Am 18. November 1918 erfuhren dann die letzten kämpfenden Einheiten beider Seiten von der Waffenruhe in Europa. Man vereinbarte mit den Briten den gemeinsamen Abmarsch nach Abercorn südlich des Tanganjika-Sees, wo Lettow-Vorbeck am 25. November 1918 offiziell die Waffen niederlegte.

    Freikorps und Kapp-Putsch

    Lettow-Vorbeck befand sich nach seiner Kapitulation nur kurzzeitig in der Gefangenschaft durch britisches und südafrikanisches Militär in Daressalam.[7][8] Nach seiner Rückkehr nach Deutschland wurde Lettow-Vorbeck und den überlebenden 143 deutschen Soldaten im März 1919 in Berlin ein triumphaler Empfang bereitet. Am 5. März 1919 heiratete er Martha, geb. Wallroth (1884–1953).[9]
    Im April 1919 übernahm er die Führung der dem Garde-Kavallerie-Schützen-Korps unterstehenden Marine-Division, zu dem auch das Schutztruppen-Regiment 1 gehörte.
    Paul von Lettow-Vorbeck und seine Ehefrau Martha (1919)
    In Hamburg begannen am 23. Juni 1919 Aufstände wegen verdorbener Lebensmittel (die sogenannten Sülzeunruhen). Vier Tage nach Ende der Unruhen marschierte Lettow-Vorbeck mit dem „Korps Lettow“ (Stärke ca. 10.000 Soldaten) am 1. Juli 1919 in Hamburg ein, obwohl sich die Lage bereits wieder deutlich beruhigt hatte. Der Einsatz der Reichswehr unter Lettow-Vorbeck konnte zwar letztendlich die Ausschreitungen beenden und die sich bekämpfenden Hamburger Bürger entwaffnen, durch das rigorose Vorgehen des Korps stieg die Zahl der Toten allerdings auch von 15 auf 80.[10]
    Ab Oktober 1919 führte Lettow-Vorbeck die Reichswehr-Brigade 9 des „Übergangsheeres“ in Schwerin. Am 30. Januar 1920 wurde ihm das Ritterkreuz des sächsischen Militär-St.-Heinrichs-Ordens ausgehändigt.[11] Den höchsten preußischen Militärorden, den Pour le Mérite, hatte er bereits am 4. November 1916 erhalten, das Eichenlaub dazu am 10. Oktober 1917.
    Lettow-Vorbeck, der wohl seit 1919 in die Pläne eines Putsches zur Beseitigung der Regierung eingeweiht war, folgte im März 1920 den Befehlen des ihm vorgesetzten militärischen Anführers des Kapp-Putsches Walther von Lüttwitz und übernahm die vollziehende Gewalt in den zu seinem Befehlsbereich gehörenden Freistaaten Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz.[12] Die nicht kooperationswillige Regierung von Mecklenburg-Schwerin setzte er ab und nahm ihre Mitglieder in Schutzhaft, zudem verhängte er den Belagerungszustand und setzte Standgerichte ein. Aus Berlin forderte er das Freikorps Roßbach zur Unterstützung an. Nach der Rückkehr der Reichsregierung versuchte er seine Handlungen zu entschuldigen und sich dieser wieder anzudienen. Jedoch wurde er umgehend beurlaubt und eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet.
    Ein Prozess vor dem Reichsgericht wegen angeblichen Hochverrats fand nicht statt; nach Voruntersuchung durch das Reichsgericht hinsichtlich der ihm vorgeworfenen Beteiligung an diesem Vorgang durch gutgläubige Unterstellung der von ihm befehligten Reichswehr-Brigade 9 an General von Lüttwitz als direkten Dienstvorgesetzten erging vom Reichsgericht Einstellungsbeschluss vom 20. September 1920.[13] Am 20. Oktober wurde Lettow-Vorbeck mit einer Charakterisierung zum Generalleutnant unter Beibehaltung seiner Pensionsansprüche und mit dem ehrenden Recht, weiterhin seine Uniform tragen zu dürfen, aus der Reichswehr entlassen.

    Weimarer Republik und Zeit des Nationalsozialismus

    Bereits kurz nach Ende des Krieges veröffentlichte er zwei Bücher, die sich mit seiner Zeit in Ostafrika beschäftigten (s. u.) und heute kontrovers diskutiert werden. Darin forderte er die Rückgabe der Kolonien mit der Begründung, die Siegermächte hätten sie sich zur Erweiterung eigener Kolonialbestände einverleibt, von „Befreiung“ könne keine Rede sein. 1923 zog er nach Bremen, wo er als Großhandelskaufmann in der Firma Konrad Keller & Cie arbeitete.
    Lettow-Vorbeck wohnte von 1923 bis 1945 in Bremen, Colmarer Straße. Er war Mittelpunkt der konservativen Kreise und schon ab 1919 Mitglied der Bremer Ortsgruppe des Frontsoldatenbundes Stahlhelm.[14] 1926 konnte er durchsetzen, dass die ehemaligen Askari der deutsch-ostafrikanischen „Schutztruppe“ den seit 1917 noch ausstehenden Sold erhielten und außerdem eine kleine Rente, die auch später durch die Bundesrepublik Deutschland weitergezahlt wurde.
    Von 1928 bis 1930 war er Abgeordneter der konservativen Deutschnationalen Volkspartei im Reichstag; im Juli 1930 wechselte er zur gemäßigten Volkskonservativen Vereinigung.
    Er förderte den Bau des auch von ihm 1932 eingeweihten Reichskolonialehrendenkmals (heute Antikolonialdenkmal) in Bremen. Bei dem Einweihungsfestakt hielt er eine der Reden, die vor allem die Rückforderung der deutschen Kolonien zum Inhalt hatten.
    Lettow-Vorbeck wurde 1933 von Hitler umworben und erfolglos zum Eintritt in die NSDAP aufgefordert. Die Leitung des ihm angebotenen Reichskolonialministeriums lehnte er ab. Im April 1933 protestierte er erfolglos bei Reichspräsident Paul von Hindenburg gegen die Entlassung des Bremer Polizeiobersten Walter Caspari durch die Nationalsozialisten. Trotzdem wurde er am 25. September 1933 in den bremischen Staatsrat berufen, der den Senat in Regierungsfragen beraten sollte und in dem Lettow-Vorbeck für Kolonialfragen zuständig war. In Konflikt mit dem Nationalsozialismus geriet Lettow-Vorbeck 1934, als er sich entschieden dafür einsetzte, dass der Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten nicht in die SA-Reserve überführt werden sollte. Er setzte sich stattdessen für einen neuen Soldatenbund ein. In Bremen hatte es Übergriffe von SA-Männern auf Angehörige des Stahlhelms und auch auf Lettow-Vorbecks Büro gegeben, gegen die er bei Hindenburg, Ernst Röhm und Hitler protestierte. Seine Initiative blieb jedoch erfolglos, und da Lettow-Vorbeck offenbar auch nicht aus der SA-Reserve austrat, war auch er Mitglied der SA.[15]
    Entgegen seiner nach dem Krieg behaupteten Gegnerschaft distanzierte sich Lettow-Vorbeck hingegen nicht vom Nationalsozialismus, sondern warb etwa unter seinen „Ostafrikanern“ für das neue Regime.[16] Während der Zeit des Nationalsozialismus blieb er eine zentrale Gestalt der kolonialen Soldatengemeinschaft und trat auf Kundgebungen und Gedenkverstaltungen auf, darunter auf dem „Kolonialgedenktag des Deutschen Volkes“ 1936 in Breslau und beim „Ostafrikanertreffen“ 1938 in Hamburg. Seine Person und seine Kriegführung in Deutsch-Ostafrika wurden als Paradebeispiel deutschen Soldatentums inszeniert. Zu seinem 50-jährigen „Dienstjubiläum“ 1938 wurde er zu einem „genialen Soldaten“ stilisiert und am 27. August 1939, dem sogenannten Tannenbergtag, von Hitler mit dem Charakter eines Generals der Infanterie geehrt.[17]
    Lettow-Vorbeck (rechts) als Gast bei den großen Truppenmanövern bei Celle mit dem Befehlshaber des Wehrkreises VI Generalleutnant Günther von Kluge, September 1935
    Lettow-Vorbecks propagandistische Tätigkeit im Rahmen der soldatischen Kolonialpropaganda wurde von den nationalsozialistischen Eliten unterschiedlich beurteilt. Während etwa Generalfeldmarschall August von Mackensen bei Hitler anregte, Lettow-Vorbeck mehr in den Vordergrund der Propaganda zu stellen, notierte Propagandaminister Joseph Goebbels am 21. Januar 1938 über Lettow-Vorbeck in seinem Tagebuch: „Auch so ein Reaktionär! Ich werde ihm das schon versalzen.“ Und am 2. Februar 1938: „Lettow-Vorbeck stänkert gegen den Staat und gegen die Partei. Ich lasse ihm das öffentliche Reden verbieten.“ Für einige Nationalsozialisten schien Lettow-Vorbeck nicht mehr die richtige Gesinnung zu verkörpern. Der bereits 1918 verstorbene Carl Peters hingegen, in der Weimarer Republik noch verpönt wegen seiner offenen Gewalttätigkeit gegen Indigene, wurde ihm ideologisch vorgezogen.[18]
    Lettow-Vorbeck erinnerte immer wieder an die Treue der Askari und entwarf dabei zugleich eine heldische Konzeption des deutschen Soldaten. Dieser „Askari-Mythos“ unterstrich die militärischen und zivilisatorischen Leistungen der weißen Deutschen. Dass die Askari in seiner Vorstellung auch eine Germanisierung durchlaufen konnten, brachte ihn in Widerspruch zur nationalsozialistischen Rassenlehre, die Afrikanern keine Anpassungsfähigkeit und Erziehbarkeit zugestand.[19] Laut der Biografie des Historikers Uwe Schulte-Varendorff war die von Lettow-Vorbeck vertretene Legende von den „treuen“ Askari „nichts als reine Kolonialpropaganda, die einzig und allein dem Zweck diente, die Forderung nach Rückgabe der Kolonien zu legitimieren.“ Lettow-Vorbeck habe seine Askari schlecht behandelt, und Afrikaner seien für ihn nur „primitive Schwarze“ mit geringerer Intelligenz und geringerem Kulturstand gewesen. Er habe insgesamt die rassistische Einstellung der Überlegenheit der weißen gegenüber allen anderen Rassen vertreten, sei antisemitisch und national-völkisch eingestellt gewesen. In der NS-Zeit sei er selbst als Verfechter der Rassenpflege und Rassenhygiene hervorgetreten.[20]
    Am 5. Juni 1940 fiel Lettow-Vorbecks Sohn, Rüdiger von Lettow-Vorbeck, am 19. Oktober 1941 dessen Bruder Arnd. 1945 wurde das Haus Lettow-Vorbecks in Bremen durch einen Luftangriff zerstört. Er zog in den Kreis Eutin und dann nach Hamburg um.
    Die Nationalsozialisten versuchten Lettow-Vorbecks Popularität für ihre Zwecke zu nutzen, dieser blieb seiner deutschvölkischen Haltung treu und setzte sich für die Rückgabe der Kolonien ein.[21] Als die Nationalsozialisten ab 1943 dem Kolonialrevisionismus zugunsten der Eroberung des „Lebensraumes Ost“ dann endgültig die Absage erteilten, wurde Lettow-Vorbeck für sie uninteressant.
    Lettow-Vorbeck war laut der Biografie von Uwe Schulte-Varendorff ein „Militarist, der im Soldatentum die höchste Form des menschlichen Dasein erblickte“. Im Krieg seien für ihn alle Mittel erlaubt gewesen, wie seine rücksichtslose Kriegsführung in Ostafrika zeige. Die für ihn rassisch minderwertigen Afrikaner habe er als reines „Menschenmaterial“ betrachtet. Als „autoritärer Selbstdarsteller“ und „absoluter Machtmensch“ habe er sich in seinen „selbstverherrlichenden Schriften“ seine eigene Wirklichkeit geformt.[22]

    Nachkriegszeit

    Da er nach dem Kriege zunächst keine Rente oder Pension erhielt, sammelte sein Gegner aus dem Ersten Weltkrieg, Jan Christiaan Smuts, unter seinen Offizieren finanzielle Unterstützung für ihn. Im Auftrag einer Illustrierten bereiste er 1953 nochmals seine ehemaligen Wirkungsstätten in Afrika. In Daressalam begrüßten ihn 400 ehemalige Askari,[23] die mit ihm ein „Wiedersehen feierten“.[24] Sein kurz danach veröffentlichtes Buch Afrika, wie ich es wiedersah ist eine Rechtfertigung der Kolonialherrschaft. Zwar sollten „einmal die Eingeborenen sich auch ganz selbständig regieren“, räumte er ein, dies könne aber nur ein Fernziel sein: „Bis es soweit ist, ist europäische Führung notwendig; das sehen auch die verständigen Schwarzen ein.“[25] Er begrüßte auch das südafrikanische Apartheidsregime. 1956 wurde von Lettow-Vorbeck zum Ehrenbürger seiner Geburtsstadt Saarlouis ernannt. 1957 erschienen seine Memoiren mit dem Titel Mein Leben.
    Als von Lettow-Vorbeck 1964 in Hamburg starb, ließ die Bundesregierung mit Hilfe der Bundeswehr zwei ehemalige Askari als Staatsgäste einfliegen, damit diese „ihrem“ General die letzte Ehre erweisen konnten.[26] Einige Offiziere der Bundeswehr wurden für die Ehrenwache abkommandiert. Verteidigungsminister Kai-Uwe von Hassel – Sohn eines Schutztruppenoffiziers aus Deutsch-Ostafrika – hielt die Trauerrede mit dem Kernsatz, der Tote sei wahrlich im Felde unbesiegt gewesen. Paul von Lettow-Vorbeck wurde in Pronstorf, Kreis Segeberg, Schleswig-Holstein auf dem Friedhof der Vicelinkirche beigesetzt.

    Gedenken

    Skelettrekonstruktion von Dysalotosaurus lettowvorbecki im Berliner Museum für Naturkunde
    Deutsch-Ostafrikaner-Ehrenmal in Aumühle an der Bismarck-Mühle
    In mehreren deutschen Städten waren und sind Straßen nach Paul von Lettow-Vorbeck benannt. Auch Schulen und Kasernen erhielten seinen Namen.
    Seit der Jahrtausendwende hat eine kritische Aufarbeitung[27] der kolonialen Vergangenheit Deutschlands zu Debatten über diese Namenspraxis geführt. Infolgedessen wurden in einer Reihe von Orten nach Lettow-Vorbeck benannte Straßen[28] und Einrichtungen[29] umbenannt.
    Ein Dinosaurier trägt zu Ehren von Lettow-Vorbeck den Namen Dysalotosaurus lettowvorbecki. Zahlreiche, teils gut erhaltene Fossilien dieser Art wurden bei Ausgrabungen der Berliner Tendaguru-Expedition im damaligen Deutsch-Ostafrika zusammen mit weiteren Sauriern gefunden. Die Benennung erfolgte durch Hans Virchow (Sohn von Rudolf Virchow) im Jahre 1919.[30]

    Schriften

    • Meine Erinnerungen aus Ostafrika. Koehler, Leipzig 1920
    • Heia Safari! – Deutschlands Kampf in Ostafrika. Koehler & Amelang, Leipzig 1920 (gekürzte Fassung des vorigen Titels)[31] Klappentext
    • Afrika, wie ich es wiedersah. Lehmann, München 1955.
    • Kwa Heri Bwana! Auf Wiedersehen, Herr. Klein, Lengerich 1954.
    • Mein Leben. Koehler, Biberach an der Riss 1957. online Auszüge
    • Als Herausgeber: Die Weltkriegsspionage: Authentische Enthüllungen über Entstehung Art, Arbeit, Technik, Schliche, Handlungen, Wirkungen und Geheimnisse der Spionage vor, während und nach dem Kriege auf Grund amtlichen Materials aus Kriegs-, Militär-, Gerichts- und Reichsarchiven. Vom Leben und Sterben, von den Taten und Abenteuern der bedeutendsten Agenten bei Freund und Feind. München (Justin Moser) 1931.

    Film

    • Lettow-Vorbeck. Der Deutsch-Ostafrikanische Imperativ. (BRD 1984, Regie: Christian Doermer, Dokumentarspielfilm)

    Literatur

    Weblinks

     Commons: Paul Emil von Lettow-Vorbeck – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

    Einzelnachweise


  2. General a. D. Paul von Lettow-Vorbeck gestern 94jährig in Hamburg gestorben. In: Hamburger Abendblatt vom 10. März 1964.

  3. Tanja Bührer: Die Kaiserliche Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika. Koloniale Sicherheitspolitik und transkulturelle Kriegsführung, 1885 bis 1918. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2011, ISBN 978-3-486-70442-6, S. 404.

  4. Uwe Schulte-Varendorff: Kolonialheld für Kaiser und Führer. General Lettow-Vorbeck – Mythos und Wirklichkeit. Links Verlag, Berlin 2006, ISBN 3-86153-412-6, S. 18f.; Isabel V. Hull: Absolute destruction. Military culture and the practices of war in Imperial Germany. Cornell University Press, Ithaca 2005, ISBN 0-8014-4258-3, S. 37.

  5. Tanja Bührer: Die Kaiserliche Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika. Koloniale Sicherheitspolitik und transkulturelle Kriegsführung, 1885 bis 1918. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2011, ISBN 978-3-486-70442-6, S. 405. Sandra Maß: Weiße Helden, schwarze Krieger. Zur Geschichte kolonialer Männlichkeit in Deutschland 1918–1964. Böhlau, Wien/Köln/Weimar 2006, ISBN 3-412-32305-5, S. 41 f.

  6. Eckard Michels: „Der Held von Deutsch-Ostafrika.“ Paul von Lettow-Vorbeck. Ein preußischer Kolonialoffizier. Schöningh, Paderborn 2008, ISBN 978-3-506-76370-9, S. 98f.

  7. John Iliffe: A Modern History of Tanganyika. S. 249 ff und 269 f. (Google books)

  8. Thilo Thielke: „Löwe von Afrika“. In: Joachim Mohr (Hrsg.): Der Erste Weltkrieg. Geschichte einer Katastrophe. DVA/Spiegel, München/Hamburg 2014, ISBN 9783421046420, S. 234.

  9. Charles Miller: Battle for the Bundu. The First World War in German East Africa. Macdonald and Jane's, London 1974, S. 327.

  10. adelsmatrikel.de (Memento des Originals vom 1. Februar 2018 im Internet Archive) i Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.

  11. Sülze-Unruhen – Mit den Mäusen zum Ragout. In: Hamburger Abendblatt, 25. Juni 2002.
    Schuld und Sülze, einestages.spiegel.de. 7. Januar 2012. Der Artikel ist in Kooperation mit dem Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten Aufsehen, Empörung, Ärgernis: Skandale 2010/2011 entstanden.

  12. Der Königlich Sächsische Militär-St. Heinrichs-Orden 1736-1918. Ein Ehrenblatt der Sächsischen Armee. Wilhelm und Bertha von Baensch-Stiftung, Dresden 1937, S. 423.

  13. Hierzu und zum folgenden: Uwe Schulte-Varendorff: Kolonialheld für Kaiser und Führer. General Lettow-Vorbeck – Mythos und Wirklichkeit. Ch. Links Verlag, 2006. S. 84ff.

  14. Bundesarchiv, Aktenzeichen N 103/55

  15. Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-10-039326-5, S. 364.

  16. Uwe Schulte-Varendorff: Kolonialheld für Kaiser und Führer. General Lettow-Vorbeck – Mythos und Wirklichkeit. Links Verlag, Berlin 2006, ISBN 3-86153-412-6, S. 108 f.

  17. Sandra Maß: Weiße Helden, schwarze Krieger. Zur Geschichte kolonialer Männlichkeit in Deutschland 1918–1964. Böhlau, Köln 2006, S. 228 f.

  18. Sandra Maß: Weiße Helden, schwarze Krieger. Zur Geschichte kolonialer Männlichkeit in Deutschland 1918–1964. Böhlau, Wien/Köln 2006, S. 229–233.

  19. Sandra Maß: Weiße Helden, schwarze Krieger. Zur Geschichte kolonialer Männlichkeit in Deutschland 1918–1964. Böhlau, Wien/Köln 2006, S. 241f.

  20. Sandra Maß: Weiße Helden, schwarze Krieger. Zur Geschichte kolonialer Männlichkeit in Deutschland 1918–1964. Böhlau, Köln 2006, S. 238–240.

  21. Uwe Schulte-Varendorff: Kolonialheld für Kaiser und Führer. General Lettow-Vorbeck – Mythos und Wirklichkeit. Links Verlag, Berlin 2006, ISBN 3-86153-412-6, S. 147 f.

  22. Christoph WaldeckerLettow-Vorbeck, Paul von. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 25, Bautz, Nordhausen 2005, ISBN 3-88309-332-7, Sp. 820–839.

  23. Uwe Schulte-Varendorff: Kolonialheld für Kaiser und Führer. General Lettow-Vorbeck – Mythos und Wirklichkeit. Links Verlag, Berlin 2006, ISBN 3-86153-412-6, S. 147ff.

  24. Uwe Schulte-Varendorff: Kolonialheld für Kaiser und Führer. General Lettow-Vorbeck – Mythos und Wirklichkeit. Links Verlag, Berlin 2006, ISBN 3-86153-412-6, S. 125.

  25. Hans Krech: Die Kampfhandlungen in den ehemaligen deutschen Kolonien in Afrika während des 1. Weltkrieges (1914–1918). Köster, Berlin 1999, ISBN 3-89574-356-9, S. 1.

  26. Paul von Lettow-Vorbeck: Afrika, wie ich es wiedersah. Lehmanns, München 1955, S. 13.

  27. Uwe Schulte-Varendorff: Kolonialheld für Kaiser und Führer. General Lettow-Vorbeck – Mythos und Wirklichkeit. Links, Berlin 2006, S. 125.

  28. Die dunkle Seite des "Löwen von Afrika", in: SPIEGEL-Geschichte Heft 5/2013

  29. Der Stadtrat von Saarlouis hat im Frühjahr 2010 die „Von-Lettow-Vorbeck-Straße“ in „Walter-Bloch-Straße“ bzw. „Hubert-Schreiner-Straße“ umbenannt. Stadtrat beschließt neue Straßennamen. Saarbrücker Zeitung, 3. Mai 2010. In Hannover wurde die Umbenennung der „Lettow-Vorbeck-Allee“ in „Namibia-Allee“ erst nach einer verwaltungsgerichtlichen Auseinandersetzung vorläufig beendet; das Urteil vom 3. März 2011 ist jedoch noch nicht rechtskräftig; Berufung kann vor dem OVG beantragt werden. Lettow-Vorbeck-Allee wird zur Namibia-Allee, Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Hannover, 3. März 2011. In Cuxhaven, Mönchengladbach, Radolfzell und Bünde gibt es noch nach Lettow-Vorbeck benannte Straßen.

  30. Seinen Namen trug die Kaserne im ostfriesischen Leer, bis sie im Herbst 2010 in „Evenburg-Kaserne“ umbenannt wurde. (Bericht zur Umbenennung der Kaserne). Die Lettow-Vorbeck Kaserne in Bad Segeberg schloss am 31. Dezember 2008 endgültig ihre Tore, seither ist das Gelände ungenutzt. Die ehemalige Lettow-Vorbeck Kaserne in Hamburg-Jenfeld wird nicht mehr als Kaserne geführt.

  31. Ben Creisler: Dinosauria Translation and Pronunciation Guide. Archiviert vom Original am 20. Juli 2011; abgerufen am 3. Dezember 2013.

  32. Walter von Ruckteschell verfasste als Ghostwriter einen Großteil von Lettow-Vorbecks erfolgreichem Buch Heia Safari! Deutschlands Kampf in Ostafrika, zu dem er offiziell nur die Illustrationen lieferte. Siehe dazu Vertrag mit dem Verlagshaus: Uwe Schulte-Varendorff: Kolonialheld für Kaiser und Führer. General Lettow-Vorbeck – Mythos und Wirklichkeit. Ch. Links Verlag, 2006, ISBN 978-3-86153-412-9, S. 104.

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