vendredi 31 mai 2019

Bruno Ernst Buchrucker


  1. Bruno Ernst Buchrucker (* 5. Januar 1878 in Sobernheim; † 19. Februar 1966 in Bad Godesberg) war ein deutscher Offizier, verwandt mit Karl Buchrucker, einem lutherischen Theologen. Buchrucker wurde 1923 bekannt als Anführer des Küstriner Putsches.

    Leben

    Militärischer Werdegang

    Der Sohn eines Oberlehrers, seit dem 20. Juli 1897 Offizier, wurde am 1. April 1909 zum Großen Generalstab der Preußischen Armee kommandiert.[1] Am 20. März 1911 zum Hauptmann befördert, war er als solcher Chef der 7. Kompanie des 2. Oberrheinischen Infanterie-Regiments Nr. 99 in Zabern,[2] wo er im Dezember 1913 die Zabern-Affäre miterlebte, in deren Verlauf das Militär mit unverhältnismäßiger Härte gegen die lokale Bevölkerung vorging und die Offiziere des Regiments sich zivile Regierungsgewalt anmaßten. Zur Entschärfung des Konflikts wurde Buchruckers Einheit aus Zabern abgezogen und vorübergehend nach Bitsch verlegt. Er kehrte erst im April 1914 an seinen regulären Standort zurück.
    Mit Beginn des Ersten Weltkrieges im August 1914 wurde er als 3. Generalstabsoffizier unter Stabschef Bernhard Bronsart von Schellendorff dem Generalkommando des XIV. Reserve-Korps zugeteilt,[3] das zunächst im Elsass operierte, jedoch schon bald an die Somme verlegt wurde. Im weiteren Kriegsverlauf wurde er in verschiedenen weiteren Generalstabsstellungen verwendet und am 22. März 1916 „nach rigoroser Kampfesführung“[4] zum Major befördert. Nach Kriegsende führte Buchrucker 1919 das I. Bataillon im Freikorps von Siegfried Graf zu Eulenburg-Wicken in den Kämpfen deutscher Freikorps im Baltikum. Zurück in Deutschland wurde er in die Vorläufige Reichswehr übernommen.

    Kapp-Putsch in Cottbus

    Als Garnisonsältester in Cottbus unterstützte Buchrucker im März 1920 den Kapp-Putsch.[5] Am 13. März hatten meuternde Truppen das Berliner Regierungsviertel besetzt; die Reichsregierung war über Dresden nach Stuttgart geflohen. In Cottbus verbot Buchrucker Demonstrationen und Kundgebungen und übernahm die „vollziehende Gewalt“. Auf den von SPD und Gewerkschaften ausgerufenen Generalstreik reagierte er mit Plakatanschlägen, die „Schutz den Arbeitswilligen!“ versprachen. Als Reichswehrpatrouillen auf Widerstand stießen, schossen − initiiert von Buchrucker[6] − am 15. März Reichswehrtruppen am Spremberger Turm in Cottbus mit schweren Maschinengewehren in eine flüchtende Menschenmenge; vier Menschen starben; fünf weitere wurden schwer verwundet. Zugleich wurde das Druckereigebäude der USPD-Zeitung „Freier Volkswille“ von Reichswehrtruppen aufgebrochen und dortige Schnellpressen durch Handgranaten zerstört.
    Ab 16. März entwickelten sich Kämpfe am Cottbuser Stadtrand mit Arbeitern aus der Niederlausitz, die weitere Opfer forderten. „Große Versammlungen […] brachten eine ungeheure begeisterte Volksmenge zum Erscheinen. Die Aufstellung einer Roten Garde wurde beschlossen, der Gewalthaber von Cottbus verbot daraufhin jede Ansammlung von Menschen mit dem Hinweis, jede Versammlung durch Feuer sprengen zu lassen“, so die sozialdemokratische „Märkische Volksstimme“ am 21. März.[7] Am 17. März versuchte eine sozialdemokratische Delegation, mit Buchrucker zu verhandeln. Nach späteren Angaben eines beteiligten Abgeordneten äußerte Buchrucker Sätze wie „Mein Vergleich ist die Mordwaffe. Je mehr ich von dem Gesindel niederknalle, desto lieber ist es mir.“ „Diese rote Armee besteht aus Verbrechern und Buschkleppern,[8] der Schuß ist das Radikalmittel.“ „Jeden Streikposten lasse ich glatt erschießen.“[9] Am 18. und 19. März konzentrierten sich die Kämpfe auf den Stadtteil Sandow. Angesichts des Widerstandes und des am 17. März in Berlin gescheiterten Putsches erklärte Buchrucker öffentlich die Aufhebung seiner Maßnahmen sowie die Niederlegung der „vollziehenden Gewalt“ in Cottbus; seine Einheit wurde vorübergehend nach Vetschau verlegt.[10]
    Buchrucker wurde im September 1920 aus der Reichswehr verabschiedet. Er gehörte zu den wenigen Reichswehroffizieren, die als Folge ihres Verhaltens während des Kapp-Putsches aus der Reichswehr ausschieden.[11]
    Im Mai 1921 leitete Buchrucker in Cottbus während des Aufstandes in Oberschlesien eine Nachschubzentrale für die dort kämpfenden Freikorps.[12] Zudem gehörte er zusammen mit seinem langjährigen Freund und Quartiergeber, dem Rittergutsbesitzer Wilhelm von Oppen, zu den führenden Funktionären des brandenburgischen Heimatbundes.[13] Der Heimatbund war eine Nachfolgeorganisation der am 8. April 1920 auf Druck der Entente aufgelösten Einwohnerwehren. Diese häufig auf Veranlassung der Landbünde als Berufsorganisation der Großgrundbesitzer entstandene Selbstschutzorganisation schloss sich der Organisation Escherich (Orgesch) an, einer rechtsreaktionären, paramilitärischen Organisation. Zudem unterhielt Buchrucker Kontakte zu Gerhard Roßbach und dessen offiziell aufgelöstem Freikorps, dessen Mitglieder getarnt auf landwirtschaftlichen Gütern in Brandenburg, Mecklenburg und Pommern untergebracht waren.[14]

    Schwarze Reichswehr

    Im Sommer 1921 wurde Buchrucker per Privatdienstvertrag vom Wehrkreiskommando III (Berlin/Brandenburg) der Reichswehr eingestellt.[15] Dem Offizier Fedor von Bock unterstellt, waren Buchrucker sogenannte Arbeitskommandos untergeben, deren offizielle Aufgabe von Reichswehrminister Otto Geßler 1926 als die „Aufräumung, Aussonderung und Zerstörung des besonders in der Gegend von Berlin, in der Ostmark und in Schlesien zahllos verstreuten und verborgenen Kriegsgeräts“[16] definiert wurde. Zudem sollte laut Geßler „eine Art von Auffangbecken für die durch Auflösung der Freikorps und des Selbstschutzes Oberschlesien wurzellos gewordene Kräfte“ gebildet werden. Bis zum Sommer 1923 entstand − entgegen den Bestimmungen des Versailler Friedensvertrages − eine Schwarze Reichswehr mit einem festen Stamm von 2.000 Mann sowie weiteren 18.000 Mann in Alarmeinheiten. Letztere entstammten überwiegend nationalistischen Verbänden und waren in vier- bis sechswöchigen Kursen militärisch ausgebildet worden.[17]
    Innerhalb der geheim gehaltenen Schwarzen Reichswehr unterlag Buchrucker die Organisation und Leitung der Formation. Wichtigster Mitarbeiter Buchruckers war Paul Schulz. Schulz und Buchrucker waren 1919 im gleichen Freikorps gewesen, zudem hatten sie 1921 bei der Unterstützung der Freikorps in Oberschlesien zusammengearbeitet. Buchrucker beschäftigte sich mit politischen Fragen; Schulz galt als der eigentliche „Macher des ganzen Ladens.“[18] Wegen der innerhalb der Schwarzen Reichswehr verübten Fememorde wurde Schulz 1927 zum Tode verurteilt, aber nicht hingerichtet.
    In einer Atmosphäre, die laut späteren Angaben Buchruckers[19] seitens der zuständigen Reichswehroffiziere von innerlichem Einverständnis, aber Ablehnung der offiziellen Verantwortung, geprägt war, wurde die Größe der Arbeitskommandos über das vorgesehene Maß ausgedehnt und für den ursprünglichen Zweck der Arbeitskommandos unnötige Militärübungen abgehalten. Ende September 1923 fiel übergeordneten Dienststellen der Reichswehr die Größe der Arbeitskommandos auf. Buchrucker wurde zur Rede gestellt und „gab zu, daß er von sich aus Einstellungen über den Etat bei den Trupps vorgenommen hätte aus dem Gedanken heraus, der Reichswehr Hilfe für einen Kommunistenaufstand zu schaffen, den er unmittelbar erwarte.“[20] Er sagte einen Abbau der Verstärkungen zu, für Reichswehrminister Geßler war aber der „Glaube an die Zuverlässigkeit des Majors a. D. Buchrucker […] erschüttert“,[20] so dass er die Verhaftung von Buchrucker und Schulz befahl.

    Küstriner Putsch

    Buchrucker erfuhr nach eigenen Angaben am 30. September von dem gegen ihn ergangenen Haftbefehl und ordnete an, dass die in Außenforts der Festung Küstrin untergebrachten Arbeitskommandos am Morgen des 1. Oktobers 1923 in das Festungswerk in der Küstriner Altstadt einrücken sollten.[21] Der Küstriner Putsch begann mit einer Rede Buchruckers vor den angetretenen Arbeitskommandos, die nach späteren Angaben von mehreren Zuhörern dem Inhalt nach kaum verständlich war:
    „Er setzte zum Sprechen an, brachte Töne hervor, reihte die Worte sinnlos aneinander, betonte falsch und gestikulierte. Niemand wußte von den Leuten, was der Angeklagte [Buchrucker] sagen wollte.“[22]
    Buchrucker begab sich anschließend zum Festungskommandanten, wies auf die Übermacht seiner Einheiten hin und bat den Kommandanten, „er solle sich ihm nicht in den Weg stellen, der große nationale Moment sei jetzt gekommen. Er erklärte auch, er werde nicht nur hier in Cüstrin, sondern gleichzeitig überall losschlagen.“[23] Der Kommandant wollte sich Buchrucker nicht anschließen, auch nicht, als mehrere Buchrucker ergebene Unteroffiziere, darunter der spätere NSDAP-Reichstagsabgeordnete Hans Hayn, gewaltsam in die Kommandantur eindrangen. Von seinen Untergebenen zu Weisungen aufgefordert, war Buchrucker nicht in der Lage, diese zu erteilen. Dies war für einen Teil der Unteroffiziere Anlass, sich wieder dem Festungskommandanten zu unterstellen. Später kam es in Küstrin zum Waffeneinsatz regulärer Reichswehreinheiten gegen ein Kommando der Schwarzen Reichswehr, bei dem ein Mensch starb und sieben weitere verwundet wurden.
    Zwischen dem 22. und 27. Oktober 1923 fand vor einem außerordentlichen Gericht in Cottbus der Prozess gegen 14 in Küstrin Festgenommene statt.[24] Buchrucker wurde wegen vollendeten Hochverrats zu zehn Jahren Festungshaft und zehn Goldmark Geldstrafe verurteilt. Buchrucker hatte vor Gericht erklärt, er habe lediglich auf den Reichswehrminister Druck ausüben wollen, um die Rücknahme des Haftbefehls zu erreichen. Dies sei im Interesse des Staates gewesen, denn in den Reihen der Arbeitskommandos hätten sich „Draufgänger“ befunden, von denen im Falle seiner Verhaftung Gewalttätigkeiten zu befürchten gewesen seien. Dieser Darstellung folgte das Gericht nicht: Nach der Urteilsbegründung lagen genügend Anhaltspunkte vor, dass „die Vorgänge in Cüstrin in der Tat nur den Teil eines groß angelegten Unternehmens bedeuteten.“[25] Hierfür sprächen der von Buchrucker betriebene Aufwand und die einstündige Entschlusslosigkeit Buchruckers; ein Anzeichen, dass er ernstere Entschlüsse zu erwägen gehabt hätte. Buchrucker sei offenbar davon ausgegangen, das die Reichswehr sich ihm anschließen oder neutral bleiben würde. Buchrucker wurde im Oktober 1927 anlässlich des 80. Geburtstages von Hindenburg amnestiert.[26]
    Eine Untersuchung der eigentlichen Ziele der Schwarzen Reichswehr unterblieb im Cottbuser Strafverfahren.[27] Zeugenaussagen in den Fememordprozessen sowie vor parlamentarischen Untersuchungsausschüssen enthalten zahlreiche Hinweise, dass innerhalb der Schwarzen Reichswehr entsprechend dem „Marsch auf Rom“ ein „Marsch auf Berlin“ geplant und in Einzelheiten vorbereitet war. Die geplante Errichtung einer rechtsgerichteten Militärdiktatur scheiterte, als im September 1923 der Ausnahmezustand ausgerufen wurde und die exekutive Gewalt von der Reichswehr übernommen wurde. Der Küstriner Putsch stellt nach heutigem Erkenntnisstand ein Nachspiel zu diesen Plänen dar, dessen eigentlicher Zweck nicht sicher bekannt ist.[28] Buchrucker äußerte sich 1928 in der Veröffentlichung Im Schatten Seeckt’s über die Schwarze Reichswehr:
    „Die Truppe wollte Deutschland vom Druck des Auslands befreien. Sie wollte gegen den äußeren Feind kämpfen. Soweit sie über die politische Lage nachdachte, meinte sie, daß der Kampf nur unter einer Militärdiktatur ausgefochten werden könne, und mancher dachte, daß es bei der Errichtung der Militärdiktatur einen kurzen Kampf im Innern des Reiches geben könne. Darüber, ob die Militärdiktatur verfassungsmäßig sei oder nicht, machte man sich meistens keine Gedanken.“[29]
    Im Mai 1928 erstattete das Reichswehrministerium Strafanzeige wegen Meineides gegen Buchrucker.[30] Buchrucker hatte in einem Prozess wegen der Fememorde in der Schwarzen Reichswehr erklärt, die Einberufungen zur Schwarzen Reichswehr im September 1923 seien im Einverständnis mit der regulären Reichswehr erfolgt. Das Verfahren war von hohem öffentlichem Interesse begleitet und wurde von beiden Parteien mit großem Aufwand betrieben. Im September 1929 wurde das Verfahren gegen Buchrucker eingestellt. Buchruckers Aussage sei zwar objektiv falsch, es sei ihm aber nicht nachzuweisen, dass er sich der Unrichtigkeit seiner Aussage objektiv bewusst gewesen war, so die Berliner Staatsanwaltschaft.[31]
    Im Zuge des Meineidverfahrens forderte der Chef des Stabes im Wehrkreiskommando III, Kurt von Hammerstein, eine Untersuchung des Geisteszustandes von Buchrucker. Im Cottbuser Verfahren hatte Buchruckers Verteidiger beantragt, seinen Mandanten wegen teilweiser Unzurechnungsfähigkeit freizusprechen; Buchrucker hatte diesen Antrag abgelehnt. Den Unterlagen des Verteidigers zufolge hatte sich Buchrucker als Kind auffallend langsam entwickelt; im Frühjahr 1917 fiel er während des Ersten Weltkrieges durch „Sprachverwirrtheit, sinnloses Aneinanderreihen von Wörtern und Sätzen, falsches Betonen, Verschrobenheit im Tonfall und im Ausdruck“ auf.[32] Ein Befragter bezeichnete Buchrucker als eine Art Nietzsche-Zarathustra-Figur; außergewöhnlichen Fähigkeiten als Generalstabsoffizier seien Momente der Depression und Regungslosigkeit gegenübergestanden. Zudem wurde auf Buchruckers Rede während des Küstriner Putsches verwiesen und seine dortige Festnahme, bei der er den Eindruck tiefster Depression und Willenlosigkeit machte.
    Die Zeitschrift Weltbühne, maßgeblich beteiligt an der Aufdeckung der Fememorde innerhalb der Schwarzen Reichswehr und deshalb selbst von Strafverfahren betroffen, bekundete 1930 Buchrucker ihren Respekt:
    „Wir haben sie in unserem Femeprozeß kennengelernt als einen graden, wahrheitsliebenden Menschen. Wir hatten in dem Mann von Küstrin einen Haudegen erwartet und fanden einen feinen klugen Kopf − einen Gegner, wie man ihn sich wünscht. Lieber Herr Buchrucker, […] Sie sind bei vielen Unternehmungen dabei gewesen und Sie waren immer der Betrogene, der Eingesperrte, während die Höheren sich drückten […].“[33]

    Gefolgsmann von Otto Strasser

    Buchrucker trat 1926[34] der NSDAP bei und stieß Ende 1928 eher zufällig zu der dem „linken“ Flügel der NSDAP zugerechneten Gruppe um Otto Strasser: Eigenen Angaben zufolge[35] war Strasser im Gegensatz zu anderen Verlagen bereit, Buchruckers Buch zur Schwarzen Reichswehr zu veröffentlichen. Der „in den obrigkeitsstaatlichen Bahnen des wilhelminischen Offiziers denkende Buchrucker“[36] nahm in der Strasser-Gruppe eine Sonderstellung ein, hielt Programmfragen für unwesentlich und sah in der Monarchie die schlagkräftigste Staatsform. Regelmäßig schrieb er in von Strasser herausgegebenen Zeitungen zu militärpolitischen Themen: „Der moderne Staat müßte von Männern geleitet werden, die den Krieg verstehen“,[37] so Buchrucker in einem der Texte.
    Im Juli 1930 verließ Buchrucker im Gefolge von Strasser die NSDAP. Zwischen Strasser und Hitler war es zuvor zu Auseinandersetzungen um die von Hitler verfolgte Legalitätspolitik gekommen. Buchrucker − den Strasser als seinen „besten Freund“[38] bezeichnete − gehörte am 4. Juli zu den 26 Unterzeichnern des Aufrufes „Die Sozialisten verlassen die NSDAP“ und schloss sich dann der Kampfgemeinschaft Revolutionärer Nationalsozialisten (KGRNS) um Otto Strasser an. Bis zum Verbot der KGRNS kurz nach der nationalsozialistischen Machtergreifung gehörte Buchrucker Leitungsgremien der Gruppierung an, die unter den Namen „politisches Büro“, „Vollzugsausschuss“ und „Vollzugsrat“ bestanden.
    Zur Zeit seines Wirkens in der KGRNS wird Buchrucker als Nationalist und leidenschaftlicher Militarist beschrieben, der sich weiterhin mit zeitgenössischen militärstrategischen Überlegungen wie dem Einsatz der Luftwaffe beschäftigte.[39] Im Gegensatz zur offiziellen Linie der KGRNS stand er einer Zusammenarbeit mit kommunistischen Gruppierungen scharf ablehnend gegenüber und gab dem Bündnis mit konservativen, reaktionären paramilitärischen Verbänden wie dem Stahlhelm den Vorzug. Angesichts seiner Biographie überrascht Buchruckers Preußenfeindlichkeit, die ihre Ursache vermutlich in Erfahrungen des Ersten Weltkriegs hatte.
    Zum ersten Reichskongress der KGRNS Ende Oktober 1930 formulierte Buchrucker „Programmatische Grundsätze der revolutionären Nationalsozialisten − die Neue Ordnung“, die weitgehend älteren Veröffentlichungen Strassers entsprachen.[40] Buchruckers Vorstellungen eines „deutschen Sozialismus“ beinhalteten ein Nationalisierungsprogramm, die Förderung von Handwerksbetrieben und die Rückführung der Stadtbevölkerung zur Landwirtschaft. Entscheidungsbefugnisse sollten einem kleinen Kreis von Führungskräften übertragen werden, um die Missverhältnisse eines durch Bürokratie geschwächten Staates zu überwinden. Ein derart entstandener „organischer Führerstaat“ solle dann die völkische Umwandlung der Gesellschaft vorantreiben, Ziel sei − auf der Basis der Einheit germanischen Volkstums − ein „von den imperialistischen Versailler Ketten befreites Deutschland“.[40]
    Die KGRNS blieb eine Splittergruppierung; im Mai 1931 hatte sie ungefähr 6000 Mitglieder, zu denen in diesem Monat nach der Stennes-Revolte ungefähr 2.000 SA-Mitglieder überwiegend aus Berlin und Pommern stießen.[41] Von regelmäßigen tätlichen Angriffen der SA war auch Buchrucker betroffen: Im Juli 1930 wurde er in Albersdorf in Dithmarschen bei einem vom Gauleiter Hinrich Lohse geleiteten Angriff von SA-Einheiten auf eine Veranstaltung verletzt.[42] Im Oktober 1932 beschloss der Dritte Reichskongress der KGRNS die Aufstellung einer eigenen paramilitärischen Formation, der „Schwarzen Garde“. Buchrucker wurde einer der beiden Gruppenführer der Schwarzen Garde, die maximal 200 bis 300 Mitglieder hatte.[43]
    Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung wurde die KGRNS und ihre Nebenorganisationen im Februar 1933 verboten, Buchrucker befand sich zeitweise in Haft.[44] Die Informationen zu Buchruckers weiterem Lebensweg sind bruchstückhaft: Im Zusammenhang mit den Röhm-Morden, einer politischen Säuberungsaktion, in deren Verlauf Adolf Hitler und andere nationalsozialistische Führer ihre tatsächlichen oder angeblichen Rivalen in den eigenen Reihen sowie weitere unliebsame Personen teils gewaltsam beseitigen ließen, wurde Buchrucker verhaftet, später aber auf Veranlassung Hermann Görings entlassen und für die Wehrmacht reaktiviert.[45] Kurz nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges soll Buchrucker im Rang eines Oberstleutnants aus der Wehrmacht verabschiedet worden sein.[4] In seiner 1953 erschienenen Veröffentlichung Die Ehre des Soldaten. Deutsches Soldatentum in europäischer Wehrmacht? behauptet Buchrucker, Hitler als Verbrecher abgelehnt zu haben, bezieht jedoch nach Angaben von Emil Julius Gumbel zu den Gewissenskonflikten der Offiziere des 20. Juli 1944 keine klare Stellung.[46][47]

    Familie

    Sein Sohn Hasso Buchrucker (* 1935) wurde Diplomat im Auswärtigen Amt.

    Weblinks

    Einzelnachweise


  2. Angaben zur Militärlaufbahn Buchruckers bei Bernhard Sauer: Schwarze Reichswehr und Fememorde. Eine Milieustudie zum Rechtsradikalismus in der Weimarer Republik. Metropol-Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-936411-06-9, S. 48.

  3. Rangliste der Königlich Preußischen Armee und des XIII. (Königlich Württembergischen) Armeekorps für 1914. Hrsg.: Kriegsministerium, E.S. Mittler & Sohn, Berlin 1914, S. 272.

  4. Janet & Joe Robinson: Handbook of Imperial Germany. Bloomington (Indiana) 2009, S. 288.

  5. Kurzbiografie Ernst Buchrucker, in: Lausitzer Rundschau, 3. Januar 2008, Abruf vom 15. April 2017.

  6. Zum Kapp-Putsch in Cottbus siehe die bei Erwin Könnemann (Hrsg.): Der Kapp-Lüttwitz-Ludendorff-Putsch. Dokumente. Olzog, München 2001, ISBN 3-7892-9355-5, abgedruckten Zeitungsberichte:
    • Nr. 517: Die „Märkische Volksstimme“ (SPD) über Blutopfer in Cottbus am 15. März 1920. Cottbus, 16. März 1920.
    • Nr. 521: Bekanntmachung des Garnisonsältesten von Cottbus, 17. März 1920. Abgedruckt im Cottbuser Anzeiger vom 19. März 1920, unterzeichnet von Buchrucker.
    • Nr. 527: Auszug aus der „Märkischen Volksstimme“ (SPD) über die Kämpfe der Niederlausitzer Arbeiterwehren. Cottbus, 21. März 1920

  7. Könnemann, Putsch, Fußnote zu Dokument 517, S. 795.

  8. Märkische Volksstimme vom 21. März 1920, zitiert nach Könnemann, Putsch, Dokument 527, S. 803.

  9. Zeitgenössischer Ausdruck für Strauchdieb, siehe Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 651 bei www.zeno.org

  10. Könnemann, Putsch, Fußnote zu Dokument 527, S. 803.

  11. Könnemann, Putsch, Fußnote zu Dokument 527, S. 805.

  12. Sauer, Reichswehr, S. 48. Siehe auch: Emil Julius Gumbel: Verschwörer. Beiträge zur Geschichte und Soziologie der deutschen nationalistischen Geheimbünde seit 1918. Malik-Verlag, Wien, 1924, S. 41. (Reprint im Verlag Das Wunderhorn, Heidelberg 1979, ISBN 3-88423-003-4)

  13. Irmela Nagel: Fememorde und Fememordprozesse in der Weimarer Republik. Böhlau-Verlag, Köln 1991, ISBN 3-412-06290-1, S. 35

  14. Sauer, Reichswehr, S. 32.

  15. Bernd Kruppa: Rechtsradikalismus in Berlin 1918–1928. Overall, Berlin 1988, ISBN 3-925961-00-3, S. 177.

  16. Nagel, Fememorde, S. 39f.

  17. Denkschrift des Reichswehrministers vom 2. März 1926 beim Bundesarchiv. Siehe auch Nagel, Fememorde, S. 39

  18. Sauer, Reichswehr, S. 50.

  19. laut späteren Aussagen in den Fememordprozessen, zitiert bei Sauer, Reichswehr, S. 48.

  20. Angaben Buchruckers im Meineidverfahren 1928, siehe Sauer, Reichswehr, S. 70f.

  21. Denkschrift des Reichswehrministers vom 2. März 1926 beim Bundesarchiv.

  22. Zum Ablauf des Putsches siehe Sauer, Reichswehr, S. 57ff.

  23. Aus Unterlagen der Verteidigung im Cottbuser Prozess, zitiert bei Sauer, Reichswehr, S. 58.

  24. Spätere Feststellungen des Cottbuser Gerichts, zitiert bei Sauer, Reichswehr, S. 58.

  25. Zum Cottbuser Prozess siehe Sauer, Reichswehr, S. 61ff.

  26. Urteilsbegründung Blatt 98, zitiert bei Sauer, Reichswehr, S. 62.

  27. Nagel, Fememorde, S. 326.

  28. Sauer, Reichswehr, S. 64, 328ff.

  29. diese Einschätzungen bei Sauer, Reichswehr, S. 330.

  30. Bruno Ernst Buchrucker: Im Schatten Seeckt’s Kampf-Verlag, Berlin 1928, S. 28; zitiert bei Sauer, Reichswehr, S. 72.

  31. Zum Meineidverfahren siehe Sauer, Reichswehr, S. 65ff.

  32. Bericht des Berliner Oberstaatsanwalts beim Landgericht II vom 2. September 1929, zitiert bei Sauer, Reichswehr, S. 77.

  33. Sauer, Reichswehr, S. 68.

  34. Antworten: Major Buchrucker. In: Weltbühne Nr. 30/II (22. Juli 1930), S. 146, zitiert bei Kruppa, Rechtsradikalismus, S. 279.

  35. Kruppa, Rechtsradikalismus, S. 426.

  36. Mündliche Auskünfte Buchruckers vom 21. April 1963, siehe Reinhard Kühnl: Die nationalsozialistische Linke 1925–1930. (= Marburger Abhandlungen zur Politischen Wissenschaft. Band 6) Verlag Anton Hain, Meisenheim am Glan 1966, S. 92.

  37. Diese Einschätzung bei Kühnl, Linke, S. 92.

  38. NS-Briefe vom 1. Dezember 1928, zitiert bei Kühnl, S. 92.

  39. In Strassers Buch: Hitler und ich von 1940, S. 148f; zitiert nach Patrick Moreau: Nationalsozialismus von links. Die »Kampfgemeinschaft Revolutionärer Nationalsozialisten« und die »Schwarze Front« Otto Straßers 1930-1935. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1985, ISBN 3-421-06192-0, S. 40.

  40. diese Einschätzungen bei Moreau, Nationalsozialismus, S. 43f.

  41. Moreau, Nationalsozialismus, S. 57.

  42. Zahlenangaben bei Moreau, Nationalsozialismus, S. 87.

  43. zu Albersdorf siehe Moreau, Nationalsozialismus, S. 46, 128, 228.

  44. Zahlenangaben bei Moreau, Nationalsozialismus, S. 155.

  45. Moreau, Nationalsozialismus, S. 196.

  46. Susanne Meinl: Nationalsozialisten gegen Hitler. Die nationalrevolutionäre Opposition um Friedrich Wilhelm Heinz. Siedler, Berlin 2000, ISBN 3-88680-613-8, S. 205, 214.

  47. Emil Julius Gumbel: Vom Fememord zur Reichskanzlei. Verlag Lambert Schneider, Heidelberg 1962, S. 62.

  48. Titelblatt des Buches

jeudi 30 mai 2019

Cordt von Brandis


  1. Cordt von Brandis (* 4. Oktober 1888 in Eimbeckhausen; † 11. Juni 1972 in Barendorf) war ein deutscher Offizier und Freikorpsführer.

    Leben

    Brandis trat nach dem Besuch der Kadettenanstalten Naumburg und Groß-Lichterfelde am 19. Juni 1908 als Leutnant in das Infanterie-Regiment „Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin“ (4. Brandenburgisches) Nr. 24 der Preußischen Armee in Neuruppin ein. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs kam er zunächst an der Westfront zum Einsatz und übernahm am 4. September 1914 die Führung der 1. Kompanie. In der Folgezeit wurde Brandis mehrfach verwundet und übernahm nach seiner Gesundung und Beförderung zum Oberleutnant am 25. Februar 1915 die 8. Kompanie. Nach seiner zwischenzeitlichen Verlegung nach Serbien trat das Regiment Anfang 1916 wieder an der Westfront vor Verdun an.
    Hauptmann Hans-Joachim Haupt, Oberstleutnant Georg von Oven, Hauptmann Cordt von Brandis (rechts)
    Bekannt wurde Brandis vor allem dadurch, dass er am 14. März 1916 mit Hans-Joachim Haupt den Orden des Pour le Mérite für die Erstürmung des Fort Douaumont erhalten hatte und als Eroberer des Forts galt. Später kam es in der Erinnerungsliteratur über die Schlacht um Verdun in den 1920er- und 1930er-Jahren zu einem erbitterten Streit unter verschiedenen Beteiligten und Autoren darüber, ob die Ehrung von Brandis’ gerechtfertigt sei oder andere Soldaten dabei übervorteilt wurden.
    Am 1. Juli 1917 folgte seine Versetzung zum Stab der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz und am 18. August 1917 seine Beförderung zum Hauptmann. Kurz darauf ernannte man ihn zum Kommandeur des II. Bataillons seines Stammregiments, das er bis zum Kriegsende führte. Nach seiner Rückführung in die Heimat und Demobilisierung bildete er Anfang 1919 bei Neuruppin das nach ihm benannte Freikorps Brandis, das zunächst organisatorisch zu der Ende Januar in Berlin neu aufgestellten 1. Garde-Reserve-Division gehörte[1] und zunächst aus einem verstärkten Bataillon mit drei Schützenkompanien, einer MG-Kompanie und einer Batterie 10,5-cm-Haubitzen bestand.[2] Es war ab März im Baltikum im Einsatz und wurde später durch andere Einheiten wie das Hamburger Freikorps Merck und baltendeutsche Kämpfer aufgestockt. Brandis Freikorps gehörte neben der „Eisernen Division“ unter Josef Bischoff und den Freikorps Franz Pfeffer von Salomons, Walter von Medems und des Grafen Eulenburg zu den bedeutendsten deutschen Freiwilligenformationen im Baltikumkrieg.[3] Später schrieb Brandis ein stark beachtetes Erinnerungsbuch über diese Kämpfe. Nach der Rückkehr der Baltikumer nach Deutschland und dem gescheiterten Kapp-Putsch schied Brandis am 31. März 1920 aus dem Militärdienst aus.
    In den 1920er-Jahren bewirtschaftete er ein Hofgut im Rhinluch bei Ruppin. 1934 war er am Aufbau des Reichsarbeitsdienstes beteiligt. Trotz seiner weltanschaulichen Verwurzelung im nationalistisch-militanten Spektrum trat er jedoch nicht in die NSDAP ein. Ab 1936 engagierte er sich bei deutschen Siedlern in Ostafrika, wo sein Bruder einen Hof führte. Dort wurde er 1940 von den Engländern verhaftet. Die Zeit des Zweiten Weltkriegs verbrachte er bis 1947 in verschiedenen britischen Internierungslagern in Südafrika.
    Am 27. August 1939, dem sogenannten Tannenbergtag, erhielt Brandis den Charakter als Major verliehen.

    Schriften

    Deckblatt des Luchhof – „…mit 25 Strichzeichnungen von Erich R. Döbrich
    • Die Stürmer vom Douaumont. Traditions-Verlag, Berlin 1934; Scherl, Berlin 1917.
    • Der Sturmangriff. Kriegserfahrungen eines Frontoffiziers. Chef des Generalstabes des Feldheeres, 15. September 1917.
    • Die vom Douaumont. Das Ruppiner Regiment 24 im Weltkrieg Berlin. Verlag Tradition W. Kolk, 1930.
    • Von Läusen, Kohldampf und Etappenhengsten. Traditions-Verlag Kolk, Berlin 1932.
    • Der Kriegsstarke. Ernstes und Heiteres aus Krieg und Frieden. Verlag Tradition Wilhelm Kolk, Berlin 1932.
    • Der Luchhof. Kolk & Co., Berlin 1934.
    • Baltikumer. Schicksal eines Freikorps. Traditions-Verlag Kolk & Co, Berlin (1939).
    • Afrika … heute! Mit den Augen des Siedlers und Soldaten gesehen. Traditions-Verlag Kolk & Co., Berlin 1939.
    • Vor uns der Douaumont. Druffel 1966.

    Literatur

    • Karl-Friedrich Hildebrand, Christian Zweng: Die Ritter des Ordens Pour le Mérite des I. Weltkriegs. Band 1: A–G. Biblio Verlag, Osnabrück 1999, ISBN 3-7648-2505-7, S. 184–185.
    • Hanns Möller: Geschichte der Ritter des Ordens «pour le mérite» im Weltkrieg. Band 1: A–L. Verlag Bernard & Graefe, Berlin 1935, S. 141–143.

    Weblinks

    Einzelnachweise


  2. Bernhard Sauer: Vom „Mythos eines ewigen Soldatentums“. Der Feldzug deutscher Freikorps im Baltikum im Jahre 1919. In: ZfG 43 (1995), S. 869–902 (hier: 876).

  3. Harold J. Gordon Jr.: Die Reichswehr und die Weimarer Republik. Verlag für Wehrwesen Bernard & Graefe, Frankfurt am Main 1959, S. 33.

  4. Bernhard Sauer: Freikorps und Antisemitismus in der Frühzeit der Weimarer Republik. In: ZfG 56 (2008), Heft 1, S. 5–29 (hier: S. 20, Anm. 72).

mercredi 29 mai 2019

Josef Bischoff (Offizier)

  1. Major Josef Bischoff
    Josef Bischoff (* 14. Juli 1872 in Langenbrück; † 12. Dezember 1948 in Berlin-Charlottenburg) war ein deutscher Offizier und Freikorpsführer.

    Leben

    Bischoff war Student an der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Breslau und wurde am 27. September als Dritter seiner Familie im Corps Lusatia Breslau aktiv.[1] Am 26. März 1891 recipiert, wurde er am 15. Januar 1892 ohne Band entlassen,[2] denn er beendete sein Studium und trat am 19. Januar 1892 als Dreijährig-Freiwilliger in das Infanterie-Regiment „Keith“ (1. Oberschlesisches) Nr. 22 in Gleiwitz ein.[3] Dort wurde er am 18. August 1892 zum Portepeefähnrich ernannt und am 16. März 1893 zum Sekondeleutnant befördert. Am 22. Dezember 1893 erhielt er das Lausitzerband zurück.[2]

    Offizier der Schutztruppe

    Bischoff ließ sich vom 1. Oktober 1897 bis Anfang März 1898 beurlauben, um das Seminar für Orientalische Sprachen in Berlin zu besuchen.[3] Anschließend trat er zur Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika über.[4] Ungeachtet dessen, dass innerhalb der strukturellen Gewaltausübung der Kolonialherrschaft kaum scharf zwischen Krieg und Frieden unterschieden werden kann, war Bischoff in Ostafrika an gesonderten militärischen Strafexpeditionen gegen einzelne Dörfer beteiligt.[5]
    Er kehrte im Juni 1901 nach Deutschland zurück und versah seinen Dienst im 1. Unter-Elsässischen Infanterie-Regiment Nr. 132. Nachdem sich im Januar 1904 in Deutsch-Südwestafrika die Herero gegen die deutschen Kolonialherren erhoben hatten, trat Bischoff als Oberleutnant am 22. März 1904 erneut in den Kolonialdienst über und schloss sich der Schutztruppe für Südwestafrika an.[6] Während der Niederschlagung des Aufstandes der Herero und Nama nahm er am 11. August 1904 als Adjutant von Major Hermann von der Heyde an der Schlacht am Waterberg und an der Verfolgung der Herero in die Steppe der Omaheke teil. Am 15. August 1904 wurde er bei Omatupa verwundet.[7] Beim Kampf gegen die Nama war Bischoff 1906 im Bezirk NordbethanienBerseba eingesetzt.[8] Für seinen Einsatz in der Schutztruppe wurde Bischoff 1908 mit dem Roten Adlerorden IV. Klasse mit Schwertern und dem Kronenorden IV. Klasse mit Schwertern ausgezeichnet.[9] Zum 31. Januar 1909 schied er aus der Schutztruppe für Deutsch-Südwestafrika aus.
    Er wurde zum 1. Februar 1909 wieder in die Armee eingestellt und als Kompaniechef im 4. Badischen Infanterie-Regiment „Prinz Wilhelm“ Nr. 112 verwendet.[10] In gleicher Funktion war Bischoff ab 1911 im Infanterie-Regiment „Hessen-Homburg“ Nr. 166 tätig, in dem er mit seiner Beförderung zum Major am 1. Oktober 1913 in den Regimentsstab in Bitsch aufrückte.

    Erster Weltkrieg

    Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs ernannte man ihn zum Kommandeur eines Bataillons im Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 60, mit dem er die Kämpfe in den Vogesen mitmachte. Im März 1916 wurde Bischoff Regimentskommandeur des 1. Türkischen Kamelreiter-Regiments, das in Syrien und auf der Sinai-Halbinsel gegen die Araber kämpfte. Zu den Türken und zu Atatürk hielt Bischoff auch nach dem Krieg Kontakt.
    Ende Oktober 1916 nach Deutschland zurückgekehrt, wurde er kurzzeitig dem Ersatz-Bataillon des Reserve-Infanterie-Regiments Nr. 60 zugeteilt und am 2. Januar 1917 zum Kommandeur des neuaufgestellten Infanterie-Regiments Nr. 461 ernannt. Zunächst nahm er an den Kämpfen an der Ostfront in Galizien und am Sereth teil. Nach dem Waffenstillstand im Februar 1918 an die Westfront verlegt, kam Bischoff mit seinen Truppen bis Mai in den Argonnen zum Einsatz. Für seine Leistungen während der Abwehrkämpfe wurde Bischoff am 30. Juni 1918 der Orden Pour le Mérite verliehen, nachdem er vorher bereits mit beiden Klassen des Eisernen Kreuzes ausgezeichnet worden war.

    Freikorpsführer

    Als das Deutsche Heer nach dem Waffenstillstand von Compiègne und der Novemberrevolution aufgelöst wurde, betraute die Oberste Heeresleitung Bischoff, als Nachfolger des Obersten Friedrich Kumme, mit dem Kommando eines aus den Resten der 8. Armee und Freiwilligen entstandenen Freikorps. Es hieß erst Eiserne Brigade, dann Eiserne Division und wurde im Baltikum eingesetzt. Dabei handelte es sich um die vielleicht bekannteste der deutschen Freikorps, die trotz der Kriegsniederlage den deutschen Einfluss im Baltikum erhalten wollten. Das Freikorps, zu welchem sich auch verhältnismäßig viele Kriminelle freiwillig gemeldet hatten, litt unter Problemen der Disziplin, gegen die Bischoff mit Härte vorging. Plünderer und Marodeure wurden nach abgekürztem und deshalb oft willkürlichem Feldgerichtsverfahren exekutiert, was allerdings Willkür herausforderte. Der Historiker Bernhard Sauer verglich die Freikorps im Baltikum mit „den Landsknechthaufen des Dreißigjährigen Krieges“.[11]
    Nach der Rückführung der Eisernen Division nach Ostpreußen im Dezember 1919 wurde die strafrechtliche Verfolgung Bischoffs und anderer Freikorpsführer am 17. Dezember 1919 durch die Reichsregierung aufgehoben. Die Angehörigen der Eisernen Division wurden vorwiegend in Ostpreußen und Pommern auf Gütern von Großgrundbesitzern als Landarbeitergemeinschaften untergebracht.[12] Unter der Leitung eines Leutnant von Borries betrieb die „Eiserne Division“ außerdem ein Büro in Berlin. Über Borries unterhielt Bischoff Kontakte zu Hauptmann Waldemar Pabst und der Nationalen Vereinigung sowie zu Hermann Ehrhardt. Auf Vermittlung Borries' wurde zudem eine Reihe von Baltendeutschen in die Marine-Brigade Ehrhardt aufgenommen.[13] Borries, der in Bischoffs Auftrag und nach dessen Weisungen handelte, wurde deshalb auch als ein heimlicher Drahtzieher des Kapp-Putsches angesehen.[14] Nach Beginn des Kapp-Putsches veröffentlichte Bischoff in der Ostpreußischen Zeitung (DNVP) einen Aufruf zur Wiederaufstellung der „Eisernen Division“.[15] Die letzten Tage des Putsches verbrachte er offenbar im Hauptquartier des Regimentes Roßbach.[16]
    Da Bischoff der Teilnahme am Kapp-Putsch bezichtigt wurde, musste er Deutschland meiden. Deshalb lebte er ab 1920 lange Jahre in Baden bei Wien. 1933/34 von Engelbert Dollfuß aus dem Ständestaat ausgewiesen, zog er nach Berlin-Charlottenburg.[2]
    Bischoff erhielt am 27. August 1939, dem sogenannten Tannenbergtag, den Charakter als Oberstleutnant. Er starb mit 76 Jahren.

    Schriften

    • Die letzte Front. Geschichte der Eisernen Division im Baltikum 1919. Berlin 1935.

    Literatur

    Weblinks

    Einzelnachweise


  2. Kösener Corpslisten 1960, 81, 284.

  3. Mitgliederverzeichnis des Corps Lusatia Breslau (1960)

  4. von Babiensky: Stammliste des 1. Unter-Elsässischen Infanterie-Regiments Nr. 132 von 1881 bis 1909. Druckerei der Straßburger Neuesten Nachrichten AG. Straßburg 1908. S. 95.

  5. Ernst Nigmann: Geschichte der Kaiserlichen Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika. E.S. Mittler & Sohn, Berlin 1911, S. 201.

  6. Tanja Bührer: Die Kaiserliche Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika. Koloniale Sicherheitspolitik und transkulturelle Kriegführung, 1885 bis 1918. Oldenbourg, München 2011, ISBN 9783486704426, S. 211.

  7. von Babiensky: Stammliste des 1. Unter-Elsässischen Infanterie-Regiments Nr. 132 von 1881 bis 1909. Druckerei der Straßburger Neuesten Nachrichten AG. Straßburg 1908. S. 96.

  8. Kriegsgeschichtliche Abteilung I des Großen Generalstabes: Ausbruch des Herero-Aufstandes. Siegeszug der Kompagnie Franke. Mittler, Berlin 1906, S. 219, S. 236.

  9. Kriegsgeschichtliche Abteilung I. des Grossen Generalstabes: Der Hottentottenkrieg. Ausbruch des Aufstandes, die Kämpfe am Auob und in den Karrasbergen. Mittler, Berlin 1907, S. 304.

  10. Rangliste der Königlich Preußischen Armee und des XIII. (Königlich Württembergischen) Armeekorps für 1914. Hrsg. Kriegsministerium. E.S. Mittler & Sohn, Berlin 1914, S. 321.

  11. Militär-Wochenblatt. Nr. 13 vom 27. Januar 1909. S. 284.

  12. Bernhard Sauer: Vom „Mythos eines ewigen Soldatentums“. Der Feldzug deutscher Freikorps im Baltikum im Jahre 1919. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 43, Nr. 10 (1995), S. 875.

  13. Bernhard Sauer: Vom „Mythos eines ewigen Soldatentums“. Der Feldzug deutscher Freikorps im Baltikum im Jahre 1919. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft.43, Nr. 10 (1995), S. 896.

  14. Sauer, Vom „Mythos eines ewigen Soldatentums“, S. 897; Hagen Schulze: Freikorps und Republik. 1918-1920. Harald Boldt, Boppard am Rhein 1969, S. 259.

  15. Sauer, Vom „Mythos eines ewigen Soldatentums“, S. 897.

  16. Sauer: Vom „Mythos eines ewigen Soldatentums“. S. 898.

  17. Sauer: Vom „Mythos eines ewigen Soldatentums“. S. 899.